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AutorenbildSabine Fischer

Plädoyer für Behutsame

"Die Lauten" werden oftmals auch für "die Starken" gehalten. Ähnliches gilt für Wortgewaltige, die immer eine schlagkräftige Antwort parat haben. Was aber ist wahre Stärke? Drückt sie sich wirklich über Lautstärke oder die Gesprächigkeit aus? Oder geht es dabei um ganz andere Eigenschaften?

 
Leise gelingt das Leben manchmal viel echter
Leise gelingt das Leben manchmal viel echter

Vielfalt ist menschlich

Verschiedenste Ursachen, wie die persönliche (Familien-)Geschichte, die Charakterfixierung (siehe Enneagramm) und die Persönlichkeit bedingen unser Auftreten in der Welt. Es gibt intro- und extrovertierte Menschen, es gibt leise und laute und viele, die sich wohl irgendwo dazwischen ansiedeln. Wir spielen auch unterschiedlichste Rollen je nach Situation, Tagesverfassung und Gegenüber. Das ist natürlich, das ist menschlich, darin drückt sich Vielfalt und Individualität aus. Problematisch wird es dann, wenn wir mit Bewertung und Be- oder Verurteilung beginnen. Ist extrovertiert besser als introvertiert? Ist laut besser als leise?


Es sind nicht immer die Lauten stark

In der heutigen (Hoch-)Leistungsgesellschaft - die Gott sei Dank ein Auslaufmodell ist - wird Menschen, die sich laut und wortstark hervortun, mehr Bedeutung geschenkt. Das beginnt schon im Kindergarten, setzt sich in der Schule fort und festigt sich in der Arbeitswelt. Auf die leisen und zurückhaltenden Menschen wird nach wie vor heruntergeschaut. Die "Sensiblen" und "Schüchternen" werden belächelt oder bemitleidet und von der eloquenten Konkurrenz mit Ellbogentechnik überholt. Kein Wunder, wenn sich Minderwertigkeitsgefühle einstellen und man das Gefühl hat, nicht in Ordnung zu sein. Es dauert dann oft viele Jahre oder Jahrzehnte, bis man begreift, dass die Werte und Maßstäbe anhand denen geurteilt wird, völlig oberflächlich und verkehrt sind und absolut nicht im Sinne der Gleichberechtigung!


Wer bist du hinter der Fassade?
Wer bist du hinter der Fassade?

Stille Wasser sind tief

Konstantin Wecker singt: "Es sind nicht immer die Lauten stark, nur weil sie lautstark sind. Es gibt so viele, denen das Leben ganz leise viel echter gelingt." Nicht umsonst sagt man auch "stille Wasser sind tief". Früher war ich davon oft verletzt, heute nehme ich es als Kompliment. Es braucht Menschen, die sich nicht verbiegen, sondern zeigen, wie wahrhaftig und schön ein behutsames Leben sein kann. Menschen, die der Stille dienen, so dass die Stille mehr Raum auf dieser lauten Erde bekommt. Menschen, die sich nicht mehr anstrengen und verausgaben, um ein Über-Ich zu befriedigen, das ihnen sagt, wie sie sein sollen.


Hinter der Fassade

Wir alle haben Fassaden entwickelt, Bilder von uns selbst, die wir vor uns hertragen um uns damit bestmöglich "zu verkaufen". Die können ganz unterschiedlich sein: Der eine glaubt, witzig sein zu müssen, der andere lieb und der dritte stark. Viele Männer (aber auch so genannte "Karrierefrauen") eifern nach wie vor dem Ideal-Bild "Männer sind stark, heulen nicht und stehen über den Dingen" nach. Sie drillen sich bewusst auf Erfolgskurs, aber der Preis dafür ist hoch: die Abspaltung von den Gefühlen und als Folge davon keine wahre Nähe zu anderen Menschen - und zu sich selbst. Gute Fassadenbauer wissen mitunter gar nicht mehr, wer sie sind, sie sind sich selbst entfremdet. Was hilft, ist ein ehrliches Erforschen der "Fassade" mit der Frage "wie verkaufst du dich, um Liebe und Anerkennung zu bekommen"? Beachte die Gefühle, die dabei auftauchen. Sie können dir helfen, das Versteckspiel zu beenden.

 
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