Was mit Worten schwer auszudrücken ist, das vermittelt die malende Mystikerin Tatjana Gamerith in ihren Gemälden. Ihre Nähe und Verbundenheit zum unsichtbaren Geheimnis, das sich in der Schöpfung ausdrückt, überträgt sich auf den empfänglichen Betrachter: ein Blick hinter den Schleier.
Ich schätze mich sehr glücklich, in inniger Freundschaft mit Tatjana Gamerith verbunden zu sein. Wir haben uns 2012 kennengelernt - am renovierten Bauernhof im Strudengau, wo die nunmehr 101 Jahre alte Malerin mit ihrem Mann Werner Gamerith (Umweltaktivist, Autor und Fotograf) lebt.
Malen als inneres Bedürfnis
Seit den Kindertagen in Deutschland ist ihr Malen und Kunsthandwerk ein inneres Bedürfnis. Sie absolviert die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und die Meisterklasse von Max Frey. 1964 erfüllt sie sich einen Jugendtraum, indem sie mit Werner in die Einschicht des Mühlviertels zieht. Gemeinsam wird eine kleine Werkstatt für Textilhanddruck aufgebaut, die das Einkommen bestreitet, sowie ein Natur- und Biogarten angelegt. Für die Weiterentwicklung des Stoffdruckes verlieh das Kuratorium österreichischer Heimatwerke den beiden 1974 den Franz-Lipp-Preis, für die Verbindung von Kunst und Ökologie bekamen sie 1984 den Konrad-Lorenz-Preis für Umweltschutz.
Verwandte Seelen
Schon während unserer ersten gemeinsamen Stunden fühle ich eine Seelenverwandtschaft mit Tatjana, wie ich sie nur mit ganz wenigen Menschen erlebe. Ihre liebevolle, fröhliche und dem anderen offen und interessiert zugewandte Art schließt ihr ganz schnell die Herzen ihrer Mitmenschen auf. Aber da ist auch dieser Gleichklang im tiefen Empfinden und Staunen über die Natur und die Beziehung zur spirituellen Ebene, die uns in jeder Blume entgegen lächelt.
Dem Geheimnisvollen begegnen
Bei ganz unterschiedlichen Stilen und Maltechniken bevorzugt die Malerin detailreiche Naturbetrachtungen in Verbindung mit phantastischen und märchenhaften Elementen. Die oft sehr farbenprächtigen Bilder laden den Betrachter in Tatjanas Welt ein: zu einer tief gehenden, gefühlvollen Wertschätzung von Mensch und Natur und damit zu einer neuen Verbindung mit der Schöpfung und sich selbst. Sie regen aber auch dazu an, dem Geheimnisvollen nachzuspüren - über die bloße Abbildung von Pflanzen, Tieren und Landschaften, Häusern oder Menschen hinaus erschließen ihre Bilder Zugänge zu unseren physischen und spirituellen Wurzeln.
Auszüge aus einem Text von Tatjana Gamerith (Oktober 2011): "Heute morgen sah ich in den Spiegel und erkannte mich nicht. Bist Du ich? fragte ich mich. Wer bist Du, der ich sein soll? Warum lachst Du? Ist es komisch? Du siehst so komisch aus, wenn Du sprichst. Nun muss ich lachen, und du lachst auch, komisch. Wer ist die? Die ich verkörpern soll? Ich sehe so anders aus als ich dachte, dass ich aussehen müsste. Das Ganze ist so fremd. Wo bin ich „ganz entkleidet“? ICH – WER? Wie sehe ich wirklich aus, wenn ich dieses Kleid ablege? Welches Kleid? Ich möchte es ausziehen. Bin ich dann ein klareres Wesen? Luftiger, über den Dingen schwebend?"
Zeitungsartikel und Film
Artikel über Tatjana und Werner Gamerith, Die Presse, 2019, von Thomas Sautner
"NOEMA": Film über Tatjana Gamerith (29 min) von Christiana Perschon. Bester österreichischer Kurzfilm 2014. Über die Plattform "Flimmit" online für eine Leihgebühr von € 1,49 zu sehen. Hier gehts zum kostenlosen Trailer.
Info zum Film:
"Die 93 Jahre alte Malerin Tatjana Gamerith verliert langsam ihr Augenlicht. Ihre Linienführung verläuft nun intuitiv und mehr aus der routinierten Hand als über das Sehen, da sie ihren Blick nicht mehr auf einen Punkt konzentrieren kann. Blicke werden zu Berührungspunkten, wenn die Kamera Gesten der Malerin einfängt. Lichtritzen, die Tageszeit filtern, begleiten Gedankengänge und lassen die Brüchigkeit von Realität und Zeit spürbar werden. Noema spielt mit Wirklichkeitsvorstellungen und markiert Sinneseindrücke."
Eine kleine Auswahl meiner Lieblingsbilder von Tatjana Gamerith
(alle © Tatjana Gamerith)
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